Univ. Doz. Dr. Peter Kemeter

Am 5. August 1982 wurde an der 2. Univ.-Frauenklinik Wien (2.UFK) das erste mit In-vitro-Fertilisation (IVF), also außerhalb des Körpers gezeugte Kind Österreichs geboren. Als Mitglied des Ärzte-Teams möchte ich im Folgenden über die Entstehungsgeschichte dieser Schwangerschaft und Geburt berichten, darüber hinaus aber auch über die Anfangszeit der IVF überhaupt, wie ich sie erlebt habe. (Originalbericht siehe: 25 Jahre IVF)

Vorstudien an der 2. UFK (2.Universitäts-Frauenklinik Wien)

An der 2.UFK war die Fortpflanzungsmedizin unter dem früheren Vorstand Hugo Husslein etwa ab 1970 ein Schwerpunkt der Forschung und Klinik. Insbesondere hat ein Forschungsprojekt, das von der Ford-Foundation unterstützt wurde, als Katalysator gewirkt. Husslein erachtete dieses Projekt für so wichtig, dass er mich auf Vorschlag meines endokrinologischen Lehrers, Florian Friedrich, für ein Jahr von der klinischen Routinearbeit freistellte, damit ich mich ganz der Organisation dieses Projekts widmen konnte.

Feichtinger beginnt die Facharztausbildung und wird wissenschaftlich tätig

Wilfried Feichtinger stieß im September 1977 zu uns um seine Facharztausbildung zu beginnen und schon 1979 starteten wir die ersten IVF-Versuche.

Als Wilfried nämlich erfuhr, dass Steptoe und Edwards ihre Methode der IVF, die zur Geburt des 1. IVF-Kindes der Welt geführt hatte, präsentieren würden, war er sofort Feuer und Flamme und flog nach London, um die Methodik der Pioniere kennen zu lernen. Die so in London gewonnenen neuen Erkenntnisse veranlassten uns die IVF konkret anzugehen. Wir fingen an diagnostische Laparoskopien (Bauchspiegelungen) so zu planen, dass sie möglichst knapp vor dem Eisprung durchgeführt wurden. Ein Brutschrank im Labor wurde für die Eizellkultivierung eingerichtet. Der supplierende Leiter der Klinik, Alfred Kratochwil war als Pionier der Follikeldarstellung mittels Ultraschall am Programm beteiligt. Ich wählte noch unabgeklärte Patientinnen der Sterilitätsambulanz für das Programm aus. Wenn ein LH-Anstieg festgestellt wurde und sonographisch ein Graaf'scher Follikel zu sehen war, wurde die Laparoskopie 26 - 32 Stunden danach auf's OP-Programm gesetzt.

Die Intensivierung des Projekts unter dem neuen Vorstand der Klinik, Herbert Janisch

Am 31.10.1979 übernahm Herbert Janisch, dem zu Recht der Ruf eines ausgezeichneten Operateurs vorausging, von der 1. UFK kommend die Leitung unserer Klinik. Er hatte die weibliche Sterilität zum Schwerpunkte seiner Forschung gemacht und brachte dafür auch seinen Oberarzt Dr.Stefan Szalay, als seine rechte Hand, mit. Für ihn hatte Janisch auch eine wissenschaftliche Aufgabe vorgesehen, nämlich, im Rahmen des Schwerpunktes Sterilität ein erfolgreiches IVF-Programm aufzubauen, nicht wissend, dass wir bereits daran arbeiteten. Ich schlug daher vor, ein Team aus Stefan, Wilfried und mir zu bilden.

Der langwierige Weg zum Erfolg

Im Folgenden lief also das Programm so ab, dass die ausgewählten Patientinnen dem Chef vorgestellt wurden und wenn dieser seine Einwilligung gab, ins sog. Follikelprogramm aufgenommen wurden. Sodann begann das Zyklus – Monitoring. Wilfried übernahm nun hauptsächlich die Eizellkultivierung. Die Insemination der Eizellen mit dem präparierten Samen des Mannes führte derjenige von uns dreien durch, der Nachtdienst hatte, oft abends oder nachts.

Die IVF-Behandlung des Ehepaars Jovanovic

Die spätere Mutter des 1. IVF - Kindes Österreichs, Frau Jovanka Jovanovic, 26 Jahre alt, wurde von der Ambulanz der Gebietskrankenkasse an unsere Hormon- und Sterilitätsambulanz zugewiesen. Am 10.06.1980 kam sie mit dem Befund des Eileiter-Röntgens (HSG), welcher Verwachsungen beider Eileiter beschrieb. Ich fand es ratsam bei ihr eine IVF zu versuchen. Sie war sofort einverstanden. Schon beim ersten Versuch wurden alle 3 entnommenen Eizellen befruchtet. Alle drei Embryonen wurden nun von Wilfried mit einem dünnen Katheter in den Uterus injiziert.

Schon am Tag 10 zeigte ein leichter Anstieg des Hormons HCG, dass eine Schwangerschaft eingetreten ist. Bei der nächsten Kontrolle am 16.12.81 berichtete Frau Jovanovic, dass die Regel ausgeblieben sei. Der klinische Befund entsprach der 6. Woche der Schwangerschaft. Bei der nächsten Kontrolle am 29.12.81, in der 8. Schwangerschaftswoche, fand Kratochwil 2 Fruchtsäcke im Ultraschall, die Herzaktionen waren aber damals noch nicht nachweisbar. Wegen einer leichten Schmierblutung gaben wir ihr 1 x wöchentlich eine Depot-Injektion eines Gestagens. Der Schwangerschaftsverlauf war im Wesentlichen unauffällig und am 05.08.82 traten die Wehen spontan ein und die Geburt verlief komplikationslos mit Zangenunterstützung durch Wilfried.

Auch die nächste Geburt aus unserer ersten IVF-Erfolgsserie wurde von den Medien stark beachtet, denn es war die Geburt der ersten IVF-Zwillinge Österreichs und sogar des Kontinents. Da die Patientin mich als ihren Geburtshelfer auserkoren hatte, führte ich die wegen einer Lageanomalie notwendige Sectio unter Assistenz von Wilfried und Stefan durch und durfte so zwei gesunden Mädchen ans Licht der Welt verhelfen.

Mein Austritt aus der 2.UFK und die Gründung des 1. ambulanten IVF-Instituts der Welt

Angesichts der schwierigen Situation an der Klinik war in mir der Entschluss gereift, die Klinik zu verlassen und in meiner schon im März 1979 angemeldeten Privatordination die IVF einzurichten und schlug Wilfried vor, die IVF gemeinsam bei mir in seiner dienstfreien Zeit durchzuführen. Er war einverstanden und wir gründeten schon 1982 die ARGE "Extracorporale Fertilisierung" in Penzing.

Auch für meine Kinder wurde die IVF langsam zur Selbstverständlichkeit. Es gab nur eine Telefonnummer für Wohnung und Institut und wer zuerst abhob hatte das Gespräch. So erklärte unser 9-jähriger Sohn am Telefon: "Der Papa kann jetzt nicht, er muss Eier suchen". In der Schule meldete er sich am Ende der Aufklärungsstunde und sagte: "Ja, aber mein Papa macht das anders".

Vereinfachung der Methode

In den insgesamt 2 Jahren in der Hadikgasse arbeiteten wir daran, die Methode der IVF nicht nur zu verbessern, sondern auch zu vereinfachen. U.a. verwendeten wir auf Empfehlung des deutschen Kollegen Dr.Maas statt Röhrchen durchsichtige Kunststoff - Schälchen für die Eizellkultivierung, denn die passten unters Mikroskop und die Eizellen mussten für das Betrachten nicht umpipettiert werden. Den Transfer führten wir schon am Tag nach der Punktion durch und nicht erst 2 Tage später, etc., und schließlich gingen auch wir dazu über, die Punktion durch Bauchdecken und volle Blase unter Ultraschallsicht durchzuführen. Dadurch ersparten wir den Patientinnen die Operation in Vollnarkose und die gesamte Behandlung war jetzt in unserem Institut und ambulant möglich.

Endlich Platz genug für all unsere Aktivitäten

Die Enge im Institut störte uns doch immer mehr, vor allem durch die Zunahme an Patientinnen, sodass wir eine große Villa in Hietzing mieteten und 1984 die OHG "Institut für Endokrinologie der Fortpflanzung und In-vitro-Fertilisierung" gründeten.

Die nun folgenden 5 Jahre waren eine sehr produktive Zeit. Viele Artikel über unser Institut erschienen in Zeitungen und Illustrierten und brachten uns Patientinnen aus Deutschland, Holland, Norwegen, Italien, Schweiz, u.s.w. Methodisch tat sich einiges. Um die Erfolgsrate zu verbessern, stimulierten wir die Ovarien zunehmend hormonell, sodass auch mehr Embryonen übrig blieben, die wir nicht wegwerfen wollten und daher tieffrieren mussten. So erarbeiteten wir diverse Kryokonservierungsmethoden.

Unser Ultraschallgerät war das Erzeugnis der Firma Kretztechnik, Oberösterreich. Die Firma stellte uns einen neu entwickelten Vaginalscanner zur Verfügung, mit dem man die Genitalorgane der Frau weit besser sehen konnte. Tatsächlich konnten wir so erstmals mit transvaginal gewonnenen Eizellen eine normale Schwangerschaft erzielen.

Auch die Stimulation der Ovarien galt es zu verbessern und zu vereinfachen. Eine Modifikation des von Frydmann et al. beim Kongress in der Hofburg 1983 vorgetragenen fixen Schemas erwies sich als sehr brauchbar. Auf Basis meiner schon an der 2.UFK gewonnenen Erkenntnisse über den Androgen-Stoffwechsel der Frau führten wir eine Studie durch, in der wir herausfanden, dass die zusätzliche Gabe von Prednisolon, durch Senkung der Androgene und des LH die Eizellqualität und die Schwangerschaftsrate verbesserte Dieses Stimulationsschema wurde später unter "Kemeter-Feichtinger-Schema" bekannt.

Für Frauen, die keine Eizellen (mehr) haben, z.B. angeboren oder durch Operation verloren, führten wir ein Eizellspende-Programm ein, das bald erfolgreich war und zum ersten Kind durch Eizellspende am Kontinent führte. Die nächste Novität für Österreich war die Geburt eines Kindes, das aus einem eingefroren gelagerten Embryo nach Auftauen und Einsetzen in die Gebärmutter entstanden war.

Das neue psychosomatische Konzept

Trotz dieser Erfolge vermisste ich zunehmend die Psychosomatik. Denn man darf nicht vergessen, dass eine Erfolgsrate von 15% gleichbedeutend ist mit einer Misserfolgsrate von 85% und es war einfach zu wenig Zeit und Professionalität da, um sich z.B. mit der Erfolglosigkeit zu befassen. So startete die Zusammenarbeit mit der Psychotherapeutin Dr. Jutta Fiegl . Sie begann sogleich mit den Konsultationen, bemerkte aber nach einiger Zeit, dass ihr die Rolle, in der sie die Patientinnen sehen, nämlich als Richterin, die entscheiden soll, ob die Patientinnen eine IVF bekommen dürfen oder nicht, nicht gefalle. Ich fragte Jutta "und was schlägst Du vor?" Darauf sie: "Machen wir doch das Erstgespräch zusammen". Ich war einverstanden und es wurde bald bei uns zur Selbstverständlichkeit, dass wir Paare beim Erstgespräch zusammen empfingen. Schnell stellte es sich heraus, dass die Vorteile gegenüber den bisherigen Einzelkonsultationen überwogen. Es wurden die organischen und psychosozialen Befunde und Aspekte als gleich wichtig behandelt und mögliche Wechselwirkungen zwischen ihnen wurden schnell deutlich. So entschloss ich mich ein eigenes Institut dafür zu gründen und nannte es:

Institut für Reproduktionsmedizin und Psychosomatik der Sterilität (1991 – 2005).

Bald fand ich ein geeignetes Haus für mein neues Institut in Penzing und dort behandelten wir nach unserem neuen psychosomatischen Konzept: das primäre Ziel war die Gesundung aller Körperfunktionen des Kinderwunschpaares und eine möglichst stressfreie Behandlung. Das führt in etwa 25% zum spontanen Eintritt einer Schwangerschaft und oft auch dazu, dass IVF-Behandlungen, die bisher immer erfolglos verliefen, erfolgreich werden.

2006 übergab ich dieses Institut einem jungen Kollegen – es war mir der Arbeitsaufwand zu viel geworden - und begann meine Zusammenarbeit 2008 wieder mit dem WIF bis zum heutigen Tag.

Die gemeinsame Feier des 25-jährigen Jubiläums 2007

Dieses Jubiläum war natürlich ein Anlass für uns drei - Wilfried, Stefan und mich -, die wir jeder schon so lange eigene Wege gegangen sind, gemeinsam mit dem Geburtstagskind Slatan und seiner Mutter Jovanka zu feiern. Leider konnte der Vater Dragan nicht mehr teilnehmen, denn er war vor zwei Jahren gestorben. Bei einem von der Kronenzeitung veranstalteten Round-Table gedachten wir auch seiner und erfuhren, wie sich das Leben der Familie Jovanovic in den letzten 25 Jahren gestaltet hat. Slatan ist ein gesunder, zufriedener junger Mann geworden und wird sicher seinen Weg machen.